ES GIBT IMMER ÜBERRASCHUNGEN
CHRISTOPH DOSWALD IM GESPRÄCH MIT DRAGO PERSIC
CD: Lassen Sie uns mit den einfachen Dingen beginnen. Wieso malen Sie Ihre Bilder ohne Farbe?
DP: Die Monochromie fasziniert mich. Das Schwarz und die Tiefe sind ein Nicht-Wissen und Nicht-Verstehen. Der Umgang mit den schwarzen Pigmenten ist so einzigartig diffizil. Aber ich male durchaus Bilder in Farbe. Nur viel seltener. Zugleich vereinfacht mir diese minimale Palette, allein durch den Fokus auf den Schatten, die Suche nach der Form.
CD: Welche Rolle spielen filmische oder fotografische Referenzen?
DP: Sehr oft unbewusst eine größere, als ich sie im fertigen Bild wahrnehme. Die Arbeiten von Henri Alekan oder Karl Blossfeldt sind mir aber genauso wichtig wie die des dänischen Malers Vilhelm Hammershøi.
CD: Blossfeldt? Wie ist das zu verstehen? DP: Ich denke da an freigestellte Objekte, umgeben von einer unbestimmten, abstrakten und monochromen Fläche. Genauso versuche ich Objekte zu isolieren, sodass in ihnen nicht mehr länger Ausschnitte des wirklichen Lebens zu erkennen sind.
CD: Diese Andeutungen und Fragmente im Zusammenspiel mit der dunklen Farbpalette haben etwas Bedrohliches, Untergründiges und bilden offene Assoziationsfelder für die Betrachter …
DP: Bei meiner letzten Ausstellung habe ich ein Panorama aus aneinandergereihten Bildern konzipiert. Eine Konstellation herunterfallender Kleidungsstücke. Meine Assoziation dabei war eher eine romantische, wie ein Sternenhimmel, und es war ein Versuch, etwas, das in Bewegung ist, in einem zufä6ligen Augenblick festzuhalten. Dabei dachte ich peripher auch an herabstürzende, taumelnde Menschen, isoliert durch das monochrome Blau des Himmels. Die Assoziation und der Fokus der Betrachter lagen vor allem im Bedrohlichen. Fast immer benütze ich nur eine künstliche Lichtquelle, um die Objekte zu beleuchten, und der resultierende auffällige Schatten erinnert evtl. auch an den Film noir und das Düstere.
CD: Malen Sie mit Modellen, mit realen Vorlagen? Oder entspringt alles dem Bildspeicher im Kopf?
DP: Mit Skizzen und Abbildungen fange ich zumeist an. Je nach Möglichkeit benütze ich das reale Modell.
CD: Eigene oder gefundene – und was zeigen diese?
DP: Früher habe ich viel mit found footage gearbeitet. Zur Zeit inszeniere ich mehr, arrangiere zum Beispiel ein Stillleben und halte es mit der Kamera fest oder skizziere es.
CD: Wirklichkeit wird quasi „bühnisch“ inszeniert, dann fotografiert und schließlich malerisch transformiert. Welche Bedeutung hat diese Form der doppelt gespiegelten Realität?
DP: Das fotografische Abbild einer Szenerie ist nur eine Ebene, eine Idee. Ein Arbeitsschritt. Viel bedeutungsvoller ist der Moment, wenn ich wirklich male.
CD: Wie würden Sie diesen Moment beschreiben?
DP: Vielleicht als einen Augenblick mit Widersprüchen, einer Suche nach meiner Authentizität. Auch nicht einschätzbar und diffizil, wie auch das nicht immer funktionierende Malen mit schwarzer Farbe. Bei der Transformation entstehen auch divergente Ordnungen, die ich nochmals durch den malerischen Moment verstärke oder abschwäche. Die unbestimmte Fläche, die das Objekt umgibt, stimmt nicht mit den wirklichen Reflexionen überein; Reflexionen werden ersetzt usw.
CD: Über die schwarzen Pigmente würde ich gerne mehr erfahren …
DP: Als eine unbunte Farbe kann diese nur durch den Absorptionsgrad gekennzeichnet werden. Durch die Aufhellung mit weißen Pigmenten ergeben sich unterschiedliche warme und kalte Graunuancen. Von violetten bis braunen Farbtönen. Es gibt immer Überraschungen
Published 2011
Flash Art, 276
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Towards an as yet unknown denouement
Verlag für moderne Kunst, 2017
ISBN 978-3-903153-61-5